Sophie Pohle

Koordinierungsstelle Kinderrechte, Referentin Medienbildung

030 - 30 86 93-67
Für eine kinder- und jugendgerechte Digitale Welt

Daten und Privatsphäre schützen

Das Internet und die Nutzung von digitalen Angeboten sind für Kinder und Jugendliche selbstverständlich. Wir alle hinterlassen bei der Internetnutzung Spuren und geben mehr oder weniger bewusst personenbezogene Daten von uns oder anderen preis. Datenschutz, Privatsphäre und die Wahrung der Persönlichkeitsrechte spielen eine immer wichtigere Rolle.

Zwei maßgebliche Problemdimensionen stehen beim Thema Datenschutz im Vordergrund: Einerseits ist Datenschutz eine Frage der Regulierung von Datensicherheit und -verwaltung in technischen Systemen. Andererseits sind Datenschutz und die Wahrung von Persönlichkeitsrechten eine gesellschaftliche Frage: Wie verhalten sich die verschiedenen Akteure, die entweder Daten sammeln, verwalten, auswerten, weitergeben oder von sich preisgeben?

Das Deutsche Kinderhilfswerk vertritt die Interessen von Kindern und Jugendlichen, vor allem unter Berücksichtigung ihrer eigenen Perspektiven, Bedürfnissen und nicht zuletzt ihrer Rechte. Aus dieser Perspektive heraus ist es zunächst nötig zu klären, wie und warum Kinder und Jugendliche das Internet nutzen und welche Haltung sie zum Schutz persönlicher Daten haben. Erst daraus lassen sich sinnvoll Forderungen ableiten, mit denen Datenschutz im Interesse von Kindern und Jugendlichen diskutiert und letztlich verbessert werden kann.

Kein Bewusstsein für Datenschutz?

Kinder und Jugendliche nutzen das Internet selbstverständlich. Kinder surfen zwar noch nicht im selben Maße wie Jugendliche, aber wie aktuelle Studien zeigen, nimmt auch die kindliche Internetnutzung stetig zu. Kinder neigen dazu, das Netz explorativ und spielerisch zu nutzen. Damit verbunden ist oftmals, dass sie bestimmte Risiken nicht als Konsequenzen ihres Medienhandelns absehen können. Risiken werden besonders schwer wahrgenommen, wenn die Konsequenzen nicht direkt erfahrbar sind, sondern erst zeitverzögert drohen. Gerade im Bereich des Datenschutzes mangelt es Kindern – ähnlich wie auch Erwachsenen – an Risikobewusstsein.

Während Kinder aber teilweise noch in Begleitung von Eltern surfen, nutzen Jugendliche das Netz weitgehend mobil, selbstständig und jenseits pädagogischer Kontrolle. Zwar wissen sie, wie sie Medien nutzen können, allerdings ist ihre Fähigkeit bzw. Motivation, das eigene Medienhandeln und Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, oftmals weniger stark ausgeprägt.

Bei Jugendlichen machen kommunikative Onlineaktivitäten einen Großteil ihres Medienverhaltens aus. Denn der Austausch und Abgleich mit Gleichaltrigen, der schon immer ein wichtiger Teil jugendlicher Identitätsentwicklung war, spielt sich heute in vielfältiger Weise online ab: über Messengerdienste und soziale Netzwerke, auf Videoportalen, Spieleplattformen oder Livestreaming-Diensten. Dort pflegen Jugendliche eigene Profile, gestalten sie kreativ, geben Informationen über sich selbst (und andere) preis, tauschen persönliche Gedanken und Ideen aus oder suchen nach sensiblen Informationen. Formen der Selbstdarstellung und Identitätsentwicklung vollziehen sich zum Teil ohne ein Bewusstsein dafür, wer wirklich Zugang zu den preisgegebenen Informationen hat und welche Risiken damit verbunden sind.

Auch Erwachsene teilen inzwischen viele Inhalte und persönliche Daten von Kindern und Jugendlichen: Beispielsweise, wenn sie Fotos und Videos aus dem Familienalltag per Messenger verschicken, in sozialen Netzwerken hochladen oder sich mit anderen Eltern online über ihre Kinder austauschen. Auch durch dieses Verhalten – genannt Sharenting– können die Persönlichkeitsrechte und das Recht auf Datenschutz von Kindern gefährdet werden. Aus diesem Grund hat das Deutsche Kinderhilfswerk mit der Kampagne #DenkenFragenPosten darauf aufmerksam gemacht, dass Kinder im Sinne ihres Rechts auf Beteiligung ihre Zustimmung zum Aufnehmen und Versenden von Bildern geben müssen. Dies wird, wie eine qualitative Studie im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerk gezeigt hat, in einigen Familien übergangen.

Das Internet vergisst nicht

Die Unbekümmertheit im Umgang mit eigenen und fremden Daten ist keine neue Eigenschaft der jungen Generation - oder ihrer Eltern. Allerdings ist mit dem Internet eines nicht mehr selbstverständlich: Fehlverhalten oder Dinge, die einem später vielleicht peinlich sein könnten, gerieten früher mit der Zeit in Vergessenheit.

Das ist heute anders: Kaum eine Information, die einmal digital und anderen zugänglich gespeichert war, kann einfach so vergessen gemacht werden. Unternehmen speichern öffentliche wie private Einträge, Bilder können weitergeleitet werden und das Löschen von Daten ist nur mit hohem Aufwand und ohne Erfolgsgarantie möglich.

Formen des Datenmissbrauchs gibt es viele: Datenphishing, also das Abgreifen von Daten in sozialen Netzwerken, Darstellung von Fotos, deren Eigentümer nichts davon wissen oder nicht damit einverstanden sind, Internetkriminalität im Zusammenhang mit Onlinebanking oder Kreditkartenbetrug. Und obwohl diese Gefahren den meisten bekannt sind, spielt das theoretische Risikobewusstsein in der Praxis kaum eine Rolle. Hinzu kommt, dass junge Menschen vor allem befürchten, dass ihr Umfeld ungewollt persönliche Informationen erfahren könnte. Über die Speicherung und Auswertung ihrer Daten durch Unternehmen haben dagegen viele nicht ausreichende Kenntnis.

Daraus ergeben sich zwei wichtige Aufgaben:

  1. Die Potenziale unserer medial vernetzten Informationsgesellschaft müssen für Kinder und Jugendliche nutzbar gemacht werden – für ihre Identitätsarbeit genauso wie für ihre gesellschaftliche Partizipation.
  2. Alle Akteure dieser Gesellschaft müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit den medialen Gegebenheiten entwickeln. Dies gilt es, pädagogisch und durch gesellschaftliche sowie gesetzliche Rahmenbedingungen aufzugreifen.

Darauf aufbauend können wir Kindern und Jugendlichen die Unterstützung zukommen lassen, die sie in diesen mediatisierten Lebenswelten für eine erfolgreiche Identitätsarbeit benötigen.

Handlungsbedarf und Verantwortlichkeiten

Unter der Maßgabe des Vorrangs des Kinderwohls stellt das Deutsche Kinderhilfswerk verschiedene Forderungen bezüglich des Datenschutzes in all seinen Facetten. Das Ziel hierbei ist eine Optimierung des Datenschutzes und der Datenschutzkultur mit den jeweilig Verantwortungstragenden:

  1. Gewährleistung eines weitgehenden, sensiblen Umgangs mit der Erhebung personenbezogener Daten und die Sicherung dieser Daten vor Zugriffen Dritter. Anbietende müssen ihre Strategien, Produkte und Voreinstellungen auch an kinderrechtlichen bzw. kinder- und jugendmedienschutzrechtlichen Maximen ausrichten und Safety by Design zum Standard machen. Vor allem Angebote für Kinder und Jugendliche sollten die Erhebung persönlicher Daten auf das für die jeweilige Dienstleistung notwendige Mindestmaß beschränken.
  2. Anbietende von Internetangeboten oder sonstiger Dienste, die von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, müssten stärker dazu beitragen, Hinweise zum Datenschutz verständlich zu machen. Dies könnte beispielsweise bedeuten, AGBs oder Datenschutzerklärungen neben den juristisch verbindlichen Textversionen in leicht verständlichen und kindgerechten Versionen anzubieten. Dies würde die nötige Transparenz schaffen, um die Konsequenzen von Datenweitergabe angemessen einschätzen zu können.
  3. Zudem ist es dringend notwendig, eine kinder- und jugendgerechte Landschaft mit sicheren Internetangeboten für Kinder bereitstellen zu können, die auch Nutzer*innen mit geringeren Kompetenzen erste Surf- und Lernerfahrungen in sicheren Online-Umgebungen ermöglicht.
  4. Nutzer*innen muss eine möglichst einfache und komplette Löschung persönlicher Daten ermöglicht werden. Dies würde es beispielsweise Jugendlichen in Online-Netzwerken ermöglichen, persönliche Daten zu löschen, wenn sie diese nicht (mehr) preisgeben möchten.
  5. Kindern und Jugendlichen muss es möglich sein, Wissen über ihr Recht auf Privatsphäre und Datenschutz zu erlangen, ihr Verständnis von Privatsphäre reflektieren und Unterstützung für das Durchsetzen ihrer Rechte bekommen zu können. Bildungseinrichtungen spielen hierfür eine zentrale Rolle, da sie auch Risiken, die durch das Verhalten anderer junger Menschen entstehen, thematisieren und lösen können. Schule und Kita sind neben den Familien und dem sozialen Umfeld die wichtigsten Orte der Mediensozialisation. Diese Institutionen erreichen nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern.
  6. In diesem Sinne gilt es, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung spezifischer Medienkompetenzen zu unterstützen, aber auch zu beteiligen. Dies erfordert eine nachhaltige, medienpädagogisch fundierte Förderungsstruktur. Es muss aufgezeigt werden, was ein gutes Aufwachsen mit Medien im Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention bedeutet und wo die Rechte von Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter begünstigt oder gefährdet sein können.
  7. Durch frühkindliche Mediennutzung sowie durch das Teilen von Informationen durch Eltern rücken auch Erziehungsberechtigte in den Fokus. Es braucht in dieser Zielgruppe mehr Sensibilisierung und Aufklärung für die Privatsphäre von Kindern, für das Recht auf Beteiligung von Kindern und Jugendlichen beim Aufnehmen und Verschicken von Inhalten sowie für eine kinderrechtlich orientierte Medienerziehung.
  8. Hilfreich wäre ein Datenschutz-Gütesiegel, das Orientierung bietet, welche Anbieter verantwortungsvoll mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer umgehen.

Bei allen Risiken bietet die Internetkommunikation enorme Chancen und Potenziale. Es ist die Aufgabe einer Gesellschaft, Kindern und Jugendlichen durch eine sinnvolle Verzahnung von Datenschutz, Jugendmedienschutz und zuvorderst Förderung von Medienkompetenz diese Potenziale nutzbar zu machen.

Denn Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, sich auch mittels des Internets ihnen angemessene Informationen zu beschaffen, sich entsprechender Unterhaltungsangebote zu bedienen – und sich aktiv und kreativ an gesellschaftlichen Debatten und Entscheidungen zu beteiligen.

Unsere Angebote

Das Deutsche Kinderhilfswerk bietet Kindern das pädagogisch betreute Online-Video-Portal www.kindersache.de an, auf dem sie den verantwortungsvollen Umgang mit Informationen, Nachrichten, Kommentarfunktion und dem Hochladen eigener Videos, Bilder oder Texten spielerisch ausprobieren können.

Das Magazin Genial Digital beantwortet Kindern (und auch Eltern) wichtige Fragen rund um das erste Smartphone und den sicheren und gesunden Umgang mit digitalen Medien.

Daneben hat das Deutsche Kinderhilfswerk in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln das Online-Dossier „Teilhaben! Kinderrechtliche Potenziale der Digitalisierung“ auf den Weg gebracht. Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis diskutieren darin, wie Kinder und Jugendliche in unserer digitalisierten Gesellschaft teilhaben und ihre Rechte wahrnehmen können. Die informationelle Selbstbestimmung von Kindern wird in einem Beitrag von Jutta Croll thematisiert.

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