Deutsches Kinderhilfswerk: Verfahrensbeistände für Kinder müssen in familiengerichtlichen Verfahren Standard werden

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert, dass die Bestellung von Verfahrensbeiständen für Kinder in Kindschaftssachen noch immer nicht gerichtlicher Standard ist. Eine aktuelle Auswertung der Kinderrechtsorganisation von Daten des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass zwar in allen Bundesländern ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist, aber lediglich in Hessen (53,9 Prozent), Bremen (51,8 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (51,5 Prozent) in der Mehrzahl dieser Verfahren (Kindschafts-, Abstammungs- und Adoptionssachen) Verfahrensbeistände vom Gericht bestellt werden. Am schlechtesten schneiden Berlin (34,0 Prozent), Nordrhein-Westfalen (37,5 Prozent) und Rheinland-Pfalz (37,6 Prozent) ab.

„Kinder brauchen in Justizverfahren eine professionelle Begleitperson, dies ist zur Wahrnehmung ihrer Interessen im Regelfall erforderlich. In familiengerichtlichen Verfahren ist dies der Verfahrensbeistand, der nur ihr Wohl und ihre Interessen vertreten soll – und nicht die der Eltern. Er soll unabhängig und für das Kind eine Vertrauensperson sein. Leider wird in vielen Kindschafts-, Abstammungs- und Adoptionsverfahren kein Verfahrensbeistand bestellt. Die Quote für die Bestellung liegt derzeit in drei Bundesländern knapp über 50 Prozent, in allen anderen teils deutlich darunter. Hier muss es zu einem Umdenken bei den Richterinnen und Richtern kommen, die Bestellung von Verfahrensbeiständen muss bei der Möglichkeit eines erheblichen Interessensgegensatzes zwischen dem Kind und seinen Eltern auch in der Verfahrenspraxis zum Regelfall werden. Bisher besteht zudem keine Begründungspflicht beim Absehen von einer Bestellung. Es wird auch nicht genauer aufgeschlüsselt, in welcher Art von Verfahren von der Bestellung abgesehen wird. Auch das muss sich ändern“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisiert zudem, dass die Bestellung von Verfahrensbeiständen ohne Beteiligung des Kindes und ohne transparente Kriterien erfolgt. Das ist problematisch, da es keinerlei Möglichkeit für das Kind gibt, auf die Auswahl durch die Nennung bestimmter Kriterien Einfluss zu nehmen und im Zweifel den Verfahrensbeistand abzulehnen. Dies birgt die Gefahr, dass der Verfahrensbeistand eher dem Richter gefallen möchte, als die Rechte des Kindes wahrzunehmen. Allerdings soll nach dem Gesetzentwurf der Großen Koalition zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder das Gericht die Bestellung bei einer Gefahr für die Interessen des Kindes aufheben können. Problematisch ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes zudem, dass es keine Standards und keine Daten zur Qualifikation der Verfahrensbeistände in Deutschland gibt. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen zu den fachlichen Anforderungen sind nicht ausreichend, um zu garantieren, dass nur noch qualifizierte Begleitpersonen für Kinder bestellt werden können.

Weitere Informationen zum Thema „Kindgerechte Justiz“ unter www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kindgerechte-justiz/ , die kompletten Daten zu den Verfahrensbeiständen finden sich unter www.dkhw.de/verfahrensbeistaende .

Weitere Informationen und Rückfragen: Uwe Kamp, Pressesprecher
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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

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