Linda Zaiane
Leiterin Koordinierungsstelle Kinderrechte, Referentin Kinderrechte
zaiane@dkhw.de 030 - 308693-0Kindgerechte Justiz
Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren

Die Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes und die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte setzen sich seit vielen Jahren mit einer kinderrechtsbasierten Ausgestaltung des familiengerichtlichen Verfahrens auseinander. Das gemeinsame Pilotprojekt "Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren" hat nun das Ziel, die Umsetzung einheitlicher, auf internationalen Vorgaben basierender Kriterien in der familiengerichtlichen Praxis zu erproben.
Was soll konkret passieren?
Im Rahmen des Kooperationsvorhabens wurden bereits 2019 in Workshops mit Expertinnen und Experten, Richterinnen und Richtern, Verfahrensbeistandschaft, Anwaltschaft sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Kriterien für ein kindgerechtes familiengerichtliches Verfahren erarbeitet. Im nächsten Schritt sollen diese erarbeiteten Kriterien im Rahmen einer sechsmonatigen Pilotphase in der Praxis erprobt werden. Das bedeutet, dass Familienrichter_innen die Kriterien im Sinne einer "Selbstverpflichtung" in ihrer Arbeit nutzen und deren Umsetzung mithilfe von Fragebögen zu dokumentieren. Die Fragebögen werden zu jedem Verfahren und jeder Anhörung, an denen Kinder beteiligt sind, von den teilnehmenden Richter_innen ausgefüllt. Mithilfe qualitativer Interviews mit den teilnehmenden Richter_innen wird zudem die Wirkung der Kriterien evauliert.
- Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren (barrierefrei)
- Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren (Einfache Sprache / barrierefrei)
- Daran soll sich dein Richter oder deine Richterin halten. 8 Kinderrechte-Regeln für das familiengerichtliche Verfahren (Kindgerechte Broschüre)
- Evaluationsfragebogen
Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz als Grundlage
Grundlage der bereits in 2019 erarbeiteten Vorgaben für ein kindgerechtes familiengerichtliches Verfahren sind die Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz sowie die entsprechenden Ausarbeitungen der Europäischen Grundrechteagentur (Checkliste für Fachkräfte und Sichtweisen und Perspektiven von Kindern und Fachkräften). Kindgerechte Justiz meint demnach ein Justizsystem, das die Einhaltung und wirksame Umsetzung aller Kinderrechte gemäß UN-Kinderrechtskonvention auf dem höchstmöglichen Niveau garantiert und dabei die Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention beachtet: Beteiligung, Kindeswohl, Würde, Schutz vor Diskriminierung und Rechtsstaatlichkeit.
Die Leitlinien des Europarates sowie die Checkliste der EU-Grundrechteagentur enthalten zahlreiche Empfehlungen für die Umsetzung einer kindgerechten Justiz vor, während und nach dem Gerichtsverfahren. Sie wurden von den Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnen als Grundlage gewählt, da sie die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention konkretisieren und somit für die Justizverfahren der Staaten nutzbar machen. Diese Vorgaben wurden in Form von Kriterien für das deutsche familiengerichtliche Verfahren heruntergebrochen.
Das Pilotprojekt versteht sich damit als ein Baustein im Zuge der Entwicklung von Standards einer kindgerechten Justiz, wie beispielsweise der Arbeit des neu eingerichteten Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen mit seiner Arbeitsgruppe Kindgerechte Justiz. Diese hat das Ziel, die Einhaltung und wirksame Umsetzung aller Kinderrechte im justiziellen Verfahren zu erreichen.
Zeitlicher Rahmen
Gesamt-Zeitraum des Kooperationsvorhabens: 12/2019 – 12/2021
Bereits 2019 wurden unter Beteiligung von ausgewiesenen Expertinnen und Experten die Kriterien für ein kindgerechtes familiengerichtliches Verfahren sowie ein Fragebogen für deren Evaluation erarbeitet. Nun konnten drei Gerichte gefunden werden, an denen die Kriterien im Rahmen einer sechsmonatigen Pilotphase eingeführt, erprobt und evaluiert werden. Die Pilotphase findet von März bis August 2021 statt und wird von Interviewphasen vor dem Start sowie zum Abschluss der Pilotphase begleitet werden. Die Evaluation erfolgt durch die Katholische Hochschule Münster. Ein Abschlussbericht wird voraussichtlich Ende 2021 vorliegen.

Begleitung durch Projekt-Beirat
Das Vorhaben wird über den gesamten Zeitraum durch einen Projekt-Beirat begleitet. Seine Aufgabe ist die Unterstützung der Akquise von Gerichten bzw. Richterinnen und Richtern, die Anpassung und Überarbeitung der Kriterien während der Praxis-Erprobung sowie die inhaltliche Begleitung der Evaluation und die Verbreitung der Kriterien an weitere Expertinnen und Experten und Justizverwaltungen. Die konstituierende Sitzung des Beirates fand am 15. September 2020 statt. Das Pilot-Projekt wird u.a. von folgenden Personen im begleitendenden Beirat unterstützt:
Christiane Abel, Präsidentin des Amtsgerichts Pankow/Weißensee
Uta Becker, Koordinatorin für Kinderschutz Eimsbüttel
Dr. Peter Cypra, Familienrichter am Amtsgericht Tempelhof- Kreuzberg
Prof. Dr. jur. Rüdiger Ernst, Familienrichter am Kammergericht Berlin
Dr. Natalie Ivanits, Rechtsanwältin
Dr. Stephan Jaggi, Direktor der Deutschen Richterakademie (Richter am Oberlandesgericht)
Prof.'in Dr. jur. Anja Kannegießer, Katholische Hochschule NRW
Carsten Löbbert, Präsident des Amtsgerichts Lübeck, Sprecher des Bundesvorstandes der Neuen Richtervereinigung
Reinhard Prenzlow, Vorsitzender des Berufsverbands der Verfahrensbeistände (BVEB e.V.)
Anja Reisdorf, Verfahrensbeiständin
Dr. Manuela Stötzel, Leiterin des Arbeitsstabs des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Die Kooperationspartner_innen
