Aber YouTube ist doch keine Arbeit!
Für Kinderarbeit gibt es in Deutschland eine klare gesetzliche Regelung: Kinderarbeit ist grundsätzlich verboten. Die Regelung ist im Jugendarbeitsschutzgesetz festgeschrieben. Das Gesetz sieht aber Ausnahmen vor. So gibt es Regelungen für Kinder, die bei Theaterauftritten oder Musikaufführungen „und anderen Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträgern sowie bei Film- und Fotoaufnahmen“ agieren. Klar geregelt sind dort einerseits der Umfang der Arbeitstätigkeit, andererseits das Verfahren. Sowohl Gewerbeaufsichtsamt als auch Jugendamt sind hier beteiligt, in der Regel unter Hinzunahme von ärztlichen und schulischen Gutachten.
Und bei den jungen YouTube-Stars? YouTube-Filme sind doch keine Arbeit, sagen die Verteidiger*innen, die Eltern, vielleicht auch die Kinder selbst. Es mache doch Spaß, die Kinder spielen doch nur, die Kamera läuft einfach mit, das merken die gar nicht, die wollen das doch auch so gerne. Wenn dabei ein bisschen Geld verdient wird – umso besser!
Die Behörden haben Kinderinfluencer*innen nicht auf dem Radar
Das Deutsche Kinderhilfswerk, das sich intensiv mit Kinder-Influencer*innen befasst, definiert Kinderarbeit als wirtschaftliche Tätigkeit von Kindern. Es geht um den Moment, in dem die Betreiber*innen der Kanäle Geld für ihre Videos erhalten. Als Kind wird im Jugendarbeitsschutzgesetz definiert, „wer noch nicht 15 Jahre alt ist“.
So klar jedoch, wie in Deutschland die rechtliche Lage im Bereich der Kinderarbeit geregelt ist, so klar haben wir insbesondere dann, wenn Kinder eben nicht bei einem TV-Sender, sondern bei einem YouTube-Kanal arbeiten, ein deutliches Umsetzungsdefizit. YouTube und seine Kanäle sind nicht als Orte von (potenzieller) Kinderarbeit bei den zuständigen Aufsichtsbehörden auf dem Radar. Das ist fatal und keinesfalls im Sinne der Kinder, ihrer Rechte und ihres Wohls.
Eltern fehlt es an Wissen, um Richtig und Falsch einordnen zu können
Es ist davon auszugehen, dass Eltern von Kinder-Influencer*innen im Sinne ihrer Kinder handeln (wollen). Vielleicht geht es ihnen darum, dem Kind eine tolle Kindheit und sichere Zukunft zu ermöglichen – mit all dem Geld, was die Familie mit dem Geschäft verdient.
Mit Sicherheit geht es den Eltern nicht darum, ihrem Kind zu schaden, seine Rechte zu beschneiden. Und doch: Sie tun es. Die Frage bleibt: Warum? Eine Studie des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Universität zu Köln kommt zu einem naheliegenden Schluss: Eltern fehlt es an Information. Es fehlt ihnen an Wissen um ein Richtig und ein Falsch im Kontext des medialen Handelns, insbesondere dann, wenn es um die Rechte ihrer Kinder geht. Es fehlt ihnen an Medienkompetenz.
Kinder auf Youtube: ein Sammelbecken von Rechtsverletzungen
Kinderrechtlich betrachtet sind YouTube-Kanäle, in denen Kinderinfluencer*innen die Protagonistinnen und Protagonisten sind, ein ganzes Sammelbecken von Rechtsverletzungen. Vom starken Eingriff in die Privat- und Intimsphäre über Einschränkung des Rechts auf Freizeit und Erholung, ungenügende Umsetzung von Mitbestimmungsrechten bis hin zur wirtschaftlichen Ausbeutung der Kinder im Sinne des eigentlichen Verbotes von Kinderarbeit in Deutschland sind vielfältigste Kinderrechte von Verletzungen betroffen. Und das trifft am Ende: die Kinder.
Letztlich steht wie so oft die Frage im Raum: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Wie sollen unsere Kinder aufwachsen und wer übernimmt dafür Verantwortung? Und wie so oft kann an dieser Stelle nur dafür plädiert werden, zusammenzuarbeiten: kinderpolitische Akteur*innen,
die sich für die Belange von Kindern einsetzen mit den Ämtern sowie mit den Anbietern der Medienplattformen. Gemeinsam muss hier genau dann für den Schutz der Kinder und ein gutes Aufwachsen in medialen Zeiten gesorgt werden, solange es Eltern (noch) nicht können.
Ein Auszug aus „Spielst du noch oder arbeitest du schon? Ein kinderrechtlicher Beitrag zur Debatte um Kinderinfluencerinnen und -Influencer“ von Luise Meergans, Abteilungsleiterin Kinderreche und Bildung beim Deutschen Kinderhilfswerk.
Veröffentlicht wurde der Beitrag im Dossier "Zwischen Spielzeug, Kamera und YouTube - Wenn Kinder zu Influencern (gemacht) werden". In fünf Fachbeiträgen beleuchtet das Dossier das Phänomen der Kinder-Influencer*innen. Dabei werden neben der kinderrechtlichen auch ethische, juristische und medienpädagogische Perspektiven sowie Sichtweisen aus dem Bereich Influencer-Marketing selbst beleuchtet und zusammengeführt.
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