Child Participation Assessment Tool für Deutschland

Wie gut sind Kinder und Jugendliche bei sie betreffenden Angelegenheiten eingebunden? Mit dem Child Participation Assessment Tool des Europarats können die Mitgliedsstaaten die Kinder- und Jugendbeteiligung evaluieren. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat die Anwendung des Tools für Deutschland im Rahmen eines Projekts erprobt.

Wie wird Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland umgesetzt?

Kinder und Jugendliche haben das Recht, an allen sie betreffenden Angelegenheiten beteiligt zu werden. So gibt es Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) vor. Das Recht auf Beteiligung ist eines der Grundprinzipien der UN-KRK und entscheidend für die Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als Träger*innen eigener Rechte. Doch wie und wo werden Kinder und Jugendliche eigentlich konkret beteiligt? Welche Maßnahmen hat Deutschland seit der Ratifizierung der UN-KRK vor 30 Jahren zur Verwirklichung dieses Rechts ergriffen? 

Im Rahmen eines Pilotprojekts, gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), erprobte die Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes die Anwendung des Child Participation Assessment Tool (CPAT) des Europarates erstmals in Deutschland. Im Ergebnis ist eine umfassende Evaluation der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in unterschiedlichen Lebensbereichen entstanden. Die Analyse bietet sowohl für Entscheidungsträger*innen auf allen politischen Ebenen als auch für die Praxis relevante Erkenntnisse zur Umsetzung des Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention und stellt zu jedem Indikator Entwicklungsbedarfe und spezifische Maßnahmen dar.

Ergebnisbericht zum Download

Hier können Sie den Ergebnisbericht "Die Umsetzung des Rechts auf Beteiligung nach Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention Eine Analyse auf Basis des Child Participation Assessment Tools für Deutschland" herunterladen:

Download Bericht 

Das Child Participation Assessment Tool

Mit dem Child Participation Assessment Tool (CPAT) gibt der Europarat seinen Mitgliedstaaten ein Instrument an die Hand, um die Umsetzung der Kinder- und Jugendbeteiligung zu bewerten. Anhand von zehn Indikatoren können mit dem Tool Fortschritte bei der Umsetzung des Beteiligungsrechts gemessen, Lücken identifiziert und Handlungsimpulse entwickelt werden. Ziel ist es zudem, das Bewusstsein für Beteiligungsrechte von Kindern zu stärken und Beispiele guter Praxis zu verbreiten. 

Das CPAT in der Deutschen Fassung können Sie hier herunterladen: 

Download CPAT 

Die Indikatoren im Überblick

    Das Recht auf Beteiligung schützen

    Indikator 1

    Das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung an der Entscheidungsfindung ist in der nationalen Verfassung und Gesetzgebung geschützt.

    Das Recht auf Beteiligung schützen

    Indikator 2

    Eine sektorübergreifende nationale Strategie zur Umsetzung der Rechte des Kindes bezieht explizit das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung an der Entscheidungsfindung ein.

    Das Recht auf Beteiligung schützen

    Indikator 3

    Eine unabhängige Institution für Kinderrechte ist vorhanden und rechtlich geschützt.

    Das Recht auf Beteiligung schützen

    Indikator 4

    Es gibt Mechanismen, die es Kindern ermöglichen, ihr Recht auf Beteiligung an Gerichts-und Verwaltungsverfahren sicher wahrzunehmen.

    Das Recht auf Beteiligung schützen

    Indikator 5

    Es gibt kindgerechte Beschwerdeverfahren.

    Bewusstsein für das Recht auf Beteiligung fördern

    Indikator 6

    Das Recht von Kindern, an der Entscheidungsfindung beteiligt zu werden, ist in berufsvorbereitenden Ausbildungsprogrammen für Fachkräfte, die mit Kindern und für Kinder arbeiten, verankert.

    Bewusstsein für das Recht auf Beteiligung fördern

    Indikator 7

    Kinder erhalten Informationen über ihr Recht auf Beteiligung.

    Räume für Beteiligung schaffen

    Indikator 8

    Kinder werden in Foren, auch über ihre eigenen Organisationen, auf Schul-, lokaler, regionaler und nationaler Ebene vertreten.

    Räume für Beteiligung schaffen

    Indikator 9

    Es gibt kinderspezifische Feedback-Mechanismen zu lokalen Diensten.

    Räume für Beteiligung schaffen

    Indikator 10

    Kinder werden dabei unterstützt, sich am Monitoring der UN-KRK (einschließlich der Erstellung der Schattenberichte) und der einschlägigen Instrumente und Übereinkommen des Europarats zu beteiligen.

Schwerpunkte der Analyse für Deutschland

Für eine vollständige Umsetzung des Rechts auf Beteiligung muss für alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen gewährleistet werden, dass sie bei Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt werden und ihre Meinung angemessen berücksichtigt wird. Inwiefern dies in Deutschland umgesetzt wird, hat das Deutsche Kinderhilfswerk anhand von umfassenden Recherchen, Gesetzesanalysen und Abfragen an Landesministerien untersucht. Darüber hinaus wurden Konsultationen mit Stakeholdern durchgeführt, u.a. mit dem Deutschen Bundesjugendring, dem Deutschen Institut für Menschenrechte, der National Coalition Deutschland, Save the Children Deutschland, den Kinder- und Jugendbeauftragten aus Hessen und Sachsen sowie Fachexpert*innen aus Justiz und Verwaltung. Kinder und Jugendliche wurden in Fokusgruppen direkt zu ihren Erfahrungen befragt. 

Wachsendes Bewusstsein für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen 

Insgesamt zeigt die Evaluation, dass es ein wachsendes Bewusstsein für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft gibt und sich in Deutschland eine vielfältige Beteiligungslandschaft etabliert hat. Immer mehr Kommunen, Länder und Bundesministerien nutzen partizipative Kinder- und Jugendgremien, haben Beauftragte eingesetzt oder Gesetze und Strukturen geschaffen, mit denen die Beteiligung junger Menschen an sie betreffenden Entscheidungen gestärkt wird. Dennoch findet die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen noch nicht flächendeckend statt und wird in der Praxis sehr unterschiedlich umgesetzt.

Bericht stellt Entwicklungsbedarfe dar

Die Analyse stellt daher neben den wichtigen Erkenntnissen zum Umsetzungsstand der Beteiligungsrechte in Deutschland auch zu jedem Indikator Entwicklungsbedarfe und spezifische Maßnahmen dar, mit denen eine flächendeckende Beteiligung in den unterschiedlichen Lebensbereichen von Kindern und Jugendlichen gelingen kann. Die Erkenntnisse und Empfehlungen richten sich an Entscheidungsträger*innen auf allen politischen Ebenen und bieten wichtige Impulse für Politik und Praxis.

Alle föderalen Ebenen verantwortlich

Für die Umsetzung von Beteiligungsrechten sind in Deutschland alle föderalen Ebenen verantwortlich. Um dieser gemeinschaftlichen Aufgabe Rechnung zu tragen, wurden die Analysen an entsprechenden Punkten ausgeweitet und bezieht auch Maßnahmen auf Länderebene und zum Teil kommunaler Ebene mit ein. Unter anderem wurde der Blick auf verschiedene Bundesgesetze sowie Landesgesetze gelegt, insbesondere aus den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Familienrecht, Strafrecht sowie Landesverfassungen und Kommunalverfassungen/Gemeindeordnungen. 

Schwerpunkt auf Beteiligung von Kindern an Gerichtsverfahren

Darüber hinaus analysierte das Deutsche Kinderhilfswerk unterschiedliche Strukturen, die die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen unterstützen, so zum Beispiel die Einrichtung von Kinder- und Jugendbeauftragten oder Fach- und Servicestellen der Kinder- und Jugendbeteiligung. Ein besonderer Schwerpunkt lag zudem auf der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Gerichtsverfahren. Untersucht wurde, inwiefern es Vorgaben und Angebote gibt, die ein kindgerechtes Verfahren ermöglichen und wie Kinder und Fachkräfte deren Umsetzung wahrnehmen.

Ausbildung von drei Fachgruppen näher beleuchtet

Da eine gelingende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht nur von Gesetzen und Strukturen abhängt, sondern auch entsprechend umgesetzt werden muss, wurde die Ausbildung von drei Fachgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, näher beleuchtet. Evaluiert wurde, inwiefern Kinderrechte und das Recht auf Beteiligung in der Ausbildung von Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen sowie Polizist*innen vorkommen. 

Kinder brauchen Wege, um Interessen eigenständig zu vertreten

Neben unterstützenden Rahmenbedingen brauchen Kinder und Jugendliche insbesondere auch Räume der Beteiligung und Wege, um ihre Interessen eigenständig zu vertreten. Hierzu gehören zum Beispiel Kinder- und Jugendgremien aber auch Beschwerdemöglichkeiten und regelmäßige Feedback-Angebote. Wo es entsprechende Möglichkeiten gibt und wie diese ausgestaltet sind, wurde u. a. für die Bildungsorte Kita und Schule, das direkte Wohnumfeld sowie auf Landes- und Bundesebene untersucht.

Keine flächendeckenden Daten zur Umsetzung von Beteiligung vorhanden

Die Analyse zeigt zudem auf, dass in vielen Bereichen noch keine flächendeckenden Daten zur Umsetzung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vorliegen – der Bericht dient daher auch als Impuls an Bund und Länder, eine regelmäßige Evaluation auf Basis des CPAT, wie es der Europarat empfiehlt, durchzuführen, Datenlücken zu schließen und die Umsetzung des Rechts weiter zu unterstützen.

Auftaktveranstaltung zum Pilotprojekt

Angesichts der Verantwortung für das Kinderrecht auf Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland stehen Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen in der Verantwortung, das Kinderrecht auf Beteiligung zu verwirklichen. Zur Erhebung des Umsetzungsstandes hat die Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes daher notwendige Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen und von allen politischen Ebenen einbezogen. 

2022 lud die Koordinierungsstelle zum Auftakt des Projekts zu einer digitalen Informationsveranstaltung ein. Beraterin des Europarates Gerison Lansdown stellte dabei den über 50 Teilnehmenden aus Landesverwaltungen, Kinder- und Jugendorganisationen/-vertretungen, Verbänden sowie der Fachpraxis das Tool vor. Außerdem gab es einen ersten Ausblick zur Frage, wie eine Erhebung der Kinder- und Jugendbeteiligung im komplexen politischen System in Deutschland langfristig gelingen kann.

Weiterführende Literatur

Zuhören – Handeln – Verändern. Handbuch des Europarates zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen . Für Fachkräfte, die für Kinder und Jugendliche und mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Deutsche Übersetzung durch das Deutsche Kinderhilfswerk.