Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert zum heutigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut zusammen mit 40 Verbänden und Nichtregierungsorganisationen in einem gemeinsamen Aufruf von der Bundesregierung konkrete Schritte gegen die Kinderarmut in Deutschland. In ihrem Aufruf „Keine Ausreden mehr: Armut von Kindern und Jugendlichen endlich bekämpfen!“ fordern die Unterzeichner eine realistische Ermittlung des Existenzminimums von Kindern, einen Abbau der Ungerechtigkeiten in der Familienförderung sowie eine einfachere Gestaltung und Zugänglichkeit der Familienleistungen. Neben dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Nationalen Armutskonferenz haben u.a. die Arbeiterwohlfahrt, der Bundesverband Deutsche Tafel, die Diakonie Deutschland, der Familienbund der Katholiken und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den Aufruf unterzeichnet.
„Jedes fünfte Kind in Deutschland erlebt Armut täglich und unmittelbar. Kinder aus armen Verhältnissen sind sozial häufiger isoliert, gesundheitlich beeinträchtigt und in ihrer gesamten Bildungsbiografie deutlich belasteter als Kinder in gesicherten Einkommensverhältnissen. Für diese Kinder werden die von der UN-Kinderrechtskonvention jedem Kind zugesicherten Rechte auf soziale Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen derzeit nicht eingehalten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Dass trotz guter konjunktureller Rahmendaten die Kinderarmut in Deutschland auf einem skandalös hohen Niveau verharrt, macht deutlich, dass wir ein strukturelles Problem haben, dem Politik und Gesellschaft mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Kompetenzen entgegentreten müssen. Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Engagement, denn Armut und Ausgrenzung ist ein Problem der ganzen Gesellschaft“, so Hofmann weiter.
Wörtlich heißt es im Aufruf: Materielle Armut ist der zentrale Risikofaktor für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Armut bedeutet einen ständigen Mangel in der materiellen Grundversorgung. Armut schränkt die Bildungschancen von jungen Menschen, ihre gesundheitliche Entwicklung und ihre kulturellen und sozialen Beteiligungsmöglichkeiten ein und wirkt sich auf das gesamte weitere Leben aus.
Wir fordern drei konkrete Schritte, um die materielle Situation von armen Kindern und Jugendlichen zu verbessern:
- Realistische Bedarfsermittlung: Das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen muss transparent und realistisch ermittelt und zuverlässig gewährleistet werden. Der Bedarf, der im Regelsatz für Kinder festgelegt wird, ist zu gering angesetzt, er schreibt Kinderarmut fest. Regelsätze, die nur aus den Ausgabenpositionen der ärmsten Haushalte errechnet werden, führen zu einem Armutskreislauf. Sie spiegeln nicht wider, was wirklich gebraucht wird. Ergänzende Erhebungen zu notwendiger Ernährung und Kleidung, tatsächlichen Schulbedarfen, Mobilitätskosten und Teilhabebedarfen sind nötig. Der besondere Bedarf von Kindern - dazu gehört der Mehrbedarf für Kinder mit getrennt lebenden Eltern - ist ebenfalls transparent, sach- und realitätsgerecht zu ermitteln und zu berücksichtigen. Es bedarf einer in dieser Weise ermittelten einheitlichen soziokulturellen Existenzgrundlage, die für alle jungen Menschen gilt. Ein in sich stimmiges Gesamtsystem aus sozialpolitischen und familienpolitischen Leistungen ist notwendig.
- Sozial gerechtere Familienförderung: Die Ungerechtigkeiten in der Familienförderung sind abzubauen. Die Förderung von Familien muss sich an der Übernahme von Fürsorgeverantwortung für andere festmachen. Die Familienförderung muss sozial gerechter und transparenter ausgestaltet werden. Aktuell werden Kinder gutverdienender Eltern durch die Kinderfreibeträge stärker unterstützt als Kinder Erwerbsloser oder mittlerer Einkommensbeziehender. Das Kindergeld als Förderleistung wird im SGB-II-Leistungsbezug mit dem Sozialgeld vollständig verrechnet. Daher gehen Kindergelderhöhungen an in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen vorbei. Leistungen wie der Unterhaltsvorschuss oder der Kinderzuschlag sind so zu konzipieren, dass sie dem hohen Armutsrisiko von Kindern Alleinerziehender entgegenwirken.
- Leichtere Handhabung bei der Beantragung: Leistungen müssen einfacher gestaltet und für die Berechtigten leichter zugänglich sein. Bislang sind viele der sozial- oder familienpolitischen Leistungen bei unterschiedlichen Behörden oder Ämtern zu beantragen. Wichtig ist, dass dort jede Tür zu allen Hilfen führt, die Kindern und Familien zur Verfügung stehen. Die unterschiedlichen Antrags- und Verrechnungsregelungen für verschiedene Leistungen, die sich auf dasselbe Kind beziehen, sind nur schwer nachvollziehbar, erschweren den Familien die Nutzung der Leistungen erheblich und konterkarieren die eigentliche Zielsetzung der Familienförderung. Langfristig sollten Familien alle Leistungen für ihre Kinder über eine Stelle in einem Auszahlungsbetrag beziehen.
Der Aufruf mit allen Unterzeichnenden sowie Hintergrundinformationen zu Kinderarmut in Deutschland können unter <link http: www.dkhw.de keine-ausreden-mehr _blank external-link-new-window external link in new>www.dkhw.de/keine-Ausreden-mehr heruntergeladen werden.
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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.