Das Deutsche Kinderhilfswerk sieht Nachholbedarf bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Thüringen. Das ist das zentrale Ergebnis des ersten „Kinderrechte-Index“ für die Bundesrepublik Deutschland, den das Deutsche Kinderhilfswerk heute in Berlin vorgestellt hat. In der Pilotstudie „Kinderrechte-Index“ werden Beispiele guter Umsetzung, aber auch die kinderrechtlichen Entwicklungsbedarfe in den einzelnen Bundesländern aufgezeigt. Damit ist der Index ein geeignetes Instrument für Landesregierungen, die Stärken und Schwächen ihrer Kinder- und Jugendpolitik zu überprüfen und diese gezielt zu verbessern.
Im Gesamtergebnis schneiden Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein überdurchschnittlich ab. Dies bedeutet, dass in diesen Bundesländern die Kinderrechte vergleichsweise am besten umgesetzt werden. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen liegen im Durchschnitt. Hamburg, Hessen, Saarland und Sachsen-Anhalt sind insgesamt unterdurchschnittlich eingeordnet.
In der Pilotstudie „Kinderrechte-Index“ wurden fünf Kinderrechte in den Mittelpunkt gestellt: das Recht auf Beteiligung, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf angemessenen Lebensstandard, das Recht auf Bildung, sowie das Recht auf Ruhe und Freizeit, Spiel und Erholung. Besonders gut wird dabei für Thüringen die Umsetzung des Kinderrechts auf Bildung beurteilt, insbesondere die Beteiligungsrechte von Kindern in Kitas, der Anteil der Ausgaben der öffentlichen Haushalte für allgemeinbildende und berufliche Schulen gemessen an der eigenen Wirtschaftsleistung, die Schüler-Lehrer-Quote, und die Bekanntmachung der Kinderrechte in der Schule. Beim Recht auf Beteiligung wird der größte Entwicklungsbedarf gesehen, beispielsweise bei der Verankerung von Beteiligungsrechten für Kinder und Jugendliche in der Gemeindeordnung, oder bei der Etablierung eines Dialogformats für junge Menschen auf Landesebene.
„30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention stehen wir in Deutschland kinderrechtlich vor einem föderalen Flickenteppich. Und auch innerhalb der Bundesländer sehen wir Licht und Schatten, da macht das Land Thüringen keine Ausnahme. Das Land hat Stärken, beispielsweise durch die Maßnahmen der ‚Landesstrategie Mitbestimmung junger Menschen‘ und bei der Umsetzung des Rechts auf Bildung, doch die Kinderrechte müssen in allen Lebensbereichen von Kindern vollumfänglich umgesetzt werden. Daher hoffen wir sehr, dass Thüringen den Kinderrechte-Index zum Anlass nimmt, von den Stärken anderer Bundesländer zu lernen, die Verbesserungsbedarfe ihrer Kinder- und Jugendpolitik zu überprüfen und diese gezielt anzugehen. So sehen wir beispielsweise bei der Bekanntheit staatlicher Vergünstigungen für Kinder aus einkommensschwächeren Familien bei den Eltern, und bei der Attraktivität von Freizeitorten und -angeboten noch Luft nach oben“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Mit dem Kinderrechte-Index haben wir eine empirische Grundlage zur Beurteilung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in den Bundesländern geschaffen. Damit können die Bundesländer erstmals in dieser Hinsicht systematisch miteinander verglichen werden. Bei der Erstellung des Kinderrechte-Index wurde auch deutlich, dass es in Deutschland noch große Datenlücken für die vollständige Erfassung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland gibt. Darum versteht sich die Pilotstudie auch als Impulsgeberin an staatliche Akteurinnen und Akteure, die Sammlung von kinderrechtlich relevanten Daten zu prüfen, Lücken zu schließen oder bereits vorhandene Daten öffentlich zugänglich zu machen“, sagt Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes und Leiterin des Wissenschaftlichen Beirates zum Kinderrechte-Index.
Der Kinderrechte-Index des Deutschen Kinderhilfswerkes basiert auf einem Methodenmix. So werden auf Grundlage von bereits verfügbaren öffentlichen Daten und eigenen Datenerhebungen 64 Kinderrechte-Indikatoren gebildet. Dabei wurden durch das Deutsche Kinderhilfswerk eigene Analysen zu Rahmenbedingungen wie Gesetzen, Institutionen, Netzwerken und Programmen durchgeführt sowie Daten durch repräsentative Umfragen unter Kindern und Eltern in den Bundesländern erhoben. In schriftlichen Befragungen verschiedener Landesministerien aller Bundesländer und in den weitergehenden Recherchen zur Pilotstudie werden zudem Beispiele guter Praxis für die Umsetzung von Kinderrechten aufgezeigt. Der Kinderrechte-Index wird ergänzt durch Kinderperspektiven zum Recht auf Beteiligung, die durch qualitative Befragungen von Kindern in den Kontexten „Inklusion und Exklusion in der Schule“ sowie „Armutserfahrungen“ eingeholt wurden. Schließlich hat der Kinder- und Jugendbeirat des Deutschen Kinderhilfswerkes auf Grundlage der Ergebnisse des Kinderrechte-Index Forderungen zum Recht auf Beteiligung formuliert.
Eine Zusammenfassung des Kinderrechte-Index, Ländersteckbriefe der 16 Bundesländer und den gesamten Kinderrechte-Index finden Sie unter www.dkhw.de/kinderrechte-index .
Weitere Informationen und Rückfragen: Uwe Kamp, Pressesprecher
Telefon: 030-308693-11
Mobil: 0160-6373155
Fax: 030-308693-93
Mail: presse@dkhw.de
Internet: www.dkhw.de und www.facebook.com/dkhw.de
Twitter: @DKHW_de
Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.