Deutsches Kinderhilfswerk: Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss besser vor Kinderarmut schützen

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert Bund, Länder und Kommunen auf, insbesondere Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss besser vor Armut zu schützen. Eine aktuelle Auswertung des Deutschen Kinderhilfswerkes von Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) zeigt, dass die Armutsgefährdungsquote von Kindern aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsabschluss in Deutschland wesentlich höher (60,9 Prozent) ist als im EU-Durchschnitt (51,3 Prozent). Bei Eltern mit mittlerem oder hohem Bildungsabschluss hingegen ist das Verhältnis umgekehrt. Während in Deutschland 20,2 Prozent der Kinder von Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss armutsgefährdet sind, liegt dieser Wert im EU-Durchschnitt bei 23,6 Prozent. Bei einem höheren Bildungsabschluss der Eltern liegen die Werte bei 6,1 Prozent in Deutschland und 8,3 Prozent im EU-Durchschnitt.

„Dass die Armutsgefährdungsquote bei Kindern, die in Haushalten mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern aufwachsen, deutlich höher liegt als in Haushalten mit hohem Bildungsabschluss der Eltern, überrascht uns kaum noch. Dass Deutschland aber bei der Kinderarmutsgefährdungsquote in Haushalten mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern so deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, gibt Anlass zur Sorge. Hier sind uns EU-Länder wie Portugal, Dänemark, Luxemburg oder die Niederlande weit voraus. Natürlich ist es gut, dass Kinder in Haushalten mit mittlerem und hohem Bildungsabschluss der Eltern weniger häufig von Armut betroffen sind als der EU-Durchschnitt. Gleichzeitig zeigt sich aber auch sehr deutlich, dass die Kinderarmutsbekämpfung vorrangig in Familien mit einem niedrigen Bildungsabschluss der Eltern ansetzen muss. Das fängt an bei armutsfesten Löhnen und einer deutlichen Entlastung von Geringverdienenden bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, und geht über mehr bezahlbaren Wohnraum auch für Familien mit geringem Einkommen bis hin zu einer chancengerechteren Gestaltung des Bildungssystems“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Kinderarmut wirkt sich in vielen Bereichen des Alltags aus. Das sehen wir bei der Inanspruchnahme der Tafeln, bei der 30 Prozent der Kundinnen und Kunden Kinder und Jugendliche sind, und damit überproportional mehr als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zu sehen ist dieser Zusammenhang auch beim Schulerfolg, der in Deutschland nach wie vor beträchtlich von der sozialen Herkunft abhängt. Das zeigt uns jede Pisa-Studie aufs Neue und aktuell sogar noch deutlicher als früher. Das Deutsche Kinderhilfswerk vermisst an vielen Stellen den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen gerade der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland konsequent anzunehmen. Das bittere Problem der Bildungsbenachteiligung hängt Deutschland nun schon seit so vielen Jahren nach – Fortschritte aber sind kaum ersichtlich. Und das, obwohl Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zur beruflichen Entwicklung nachweislich von entscheidender Bedeutung ist“, so Krüger weiter.

„Die Förderung armer Kinder und ihrer Familien sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören deshalb auf der Prioritätenliste ganz nach oben. Um Kinder und Familien mit den vorhandenen Hilfs- und Unterstützungsleistungen besser zu erreichen, sollte die Bundesregierung den Vorschlag der Familienministerkonferenz zur Einrichtung von Familienservicezentren aufgreifen, in denen Familien qualifiziert beraten werden und möglichst auch Leistungen beantragen können“, so Krüger.

Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert für eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut mit aufeinander abgestimmten Infrastruktur- und Geldleistungselementen, die interdisziplinär an verschiedensten Stellen ansetzt. Langfristig tritt das Deutsche Kinderhilfswerk für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung in Höhe von 628 Euro nach dem Modell des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet.

Die den Berechnungen zugrunde liegenden Daten und dazugehörige Grafiken finden sich unter www.dkhw.de/kinderarmutsquoten-europa .

Weitere Informationen und Rückfragen: Uwe Kamp, Pressesprecher
Telefon: 030-308693-11
Mobil: 0160-6373155
Fax: 030-308693-93
Mail: presse@dkhw.de
Internet: www.dkhw.de und www.facebook.com/dkhw.de
Twitter: @DKHW_de

Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

Diese Nachrichten könnten Sie noch interessieren

Kinderrechte

Germering erhält das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“

Die Stadt Germering wird heute mit dem Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ ausgezeichnet. Damit würdigt der Verein Kinderfreundliche Kommunen e.V. die Verabschiedung eines Aktionsplans, der die kommunale Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention zum Ziel hat. Mit dem Erhalt des Siegels bekennt sich Germering dazu, die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken und stellt sich zugleich einem…

Spiel und Bewegung

Deutsches Kinderhilfswerk, VCD und VBE appellieren an die Kommunen: Möglichkeiten der neuen StVO für sichere Schulwege nutzen!

In der nächsten Woche starten der ökologische Verkehrsclub VCD, das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) die Aktionstage "Zu Fuß zur Schule und um Kindergarten“. Das Motto lautet dieses Jahr „Kinder können das – Elterntaxi muss nicht sein!“. Vom 16. bis zum 27. September werden Schulen und Kindertagesstätten in ganz Deutschland eigene Aktionen umsetzen, um auf die…

Beteiligung

Aktuelle Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes zur Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen: Ausbaufähige Werte in Familien und Schulen, katastrophale Situation in den Kommunen

Die Kinder und Jugendlichen in Deutschland bewerten ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Entscheidungen, die sie betreffen, sowohl im familiären Bereich als auch in den Schulen als ausbaufähig. 57 Prozent können in ihren Familien häufig mitbestimmen, in Schulen sind es hingegen nur noch 29 Prozent. Für 24 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die Mitglied in Vereinen sind, gehört Mitbestimmung dort…