Deutsches Kinderhilfswerk: Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder und Jugendliche völlig unzureichend

Das Deutsche Kinderhilfswerk bemängelt die geringe Erhöhung des Regelsatzes für Kinder und Jugendliche im Hartz-IV-Bezug zum 1. Januar 2022 als völlig unzureichend. Aus Sicht der Kinderrechtsorganisation wird damit kein Beitrag zur Bekämpfung von Kinderarmut geleistet. Angesichts der derzeit hohen Inflationsrate wird das Problem der Kinderarmut in Deutschland sogar eher verschärft. Zudem sind die Sätze für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf weiterhin viel zu gering.

„Zwei Euro mehr für Kinder und drei Euro Regelsatzerhöhung für Jugendliche im Hartz-IV-Bezug sind ein Hohn und angesichts der Inflationsrate eine faktische Regelsatzkürzung. Es ist eine vordringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung, bei den Hartz-IV-Regelsätzen eine komplette Neuberechnung vorzunehmen. Die geltenden Regelbedarfe halten den sozialrechtlichen Mindestbedarf von Kindern künstlich klein. Sie entsprechen insgesamt nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum und sollten auf ein Niveau angehoben werden, das echte gesellschaftliche Teilhabe möglich macht. Der von der Bundesregierung angekündigte Sofortzuschlag für Kinder im Hartz-IV-Bezug könnte je nach Höhe hier zumindest teilweise helfen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Nach einem Gutachten der Rechtswissenschaftlerin Professorin Anne Lenze ist die zum 1. Januar 2022 geplante sehr geringe Erhöhung der Regelsätze sogar verfassungswidrig. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden. In dem Rechtsgutachten wird u.a. auf die zurückliegenden einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, das 2014 feststellte, dass die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert ist. Die niedrige Anpassung der Regelbedarfe in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute nun eine „neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums“ ein, so das Ergebnis der juristischen Prüfung, die der Paritätische Wohlfahrtsverband in Auftrag gegeben hatte. Sollte der Gesetzgeber nicht aktiv werden, um die absehbaren Kaufkraftverluste abzuwenden, verstoße er damit gegen die Verfassung, so das Fazit der Rechtswissenschaftlerin.

Das Deutsche Kinderhilfswerk appelliert an die Bundesregierung, mit höchster Priorität eine interministerielle Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland auf den Weg zu bringen. „Eine solche Gesamtstrategie muss neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legen. Hier gilt es an vielen Stellen dicke Bretter zu bohren. Kinderarmut kann nur effizient und nachhaltig bekämpft werden, wenn alle Maßnahmen zu diesem Zweck in einem Gesamtkonzept verknüpft und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind ebenso zu berücksichtigen, wie Familien- und Bildungspolitik, Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Stadtentwicklungs- und Wohnungsbaupolitik. Kinder dürfen in Deutschland kein Armutsrisiko sein“, so Holger Hofmann.

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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

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