Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt bei der Diskussion über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Anpassung der Mindeststrafen bei der Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder eine sehr sorgfältige Debatte an. „Die im Jahre 2021 beschlossenen Strafverschärfungen haben sich bei der Frage des Mindeststrafmaßes als nicht praktikabel genug und nicht ausreichend differenziert erwiesen. Trotzdem sollte jetzt keine komplette Rolle rückwärts erfolgen, sondern es braucht eine kluge Regelung, um unterschiedliche Situationen tat- und schuldangemessen zu erfassen. Die Verbreitung von Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch muss weiterhin ausnahmslos bestraft werden. Gleichzeitig darf das alterstypische und einvernehmliche Teilen von Darstellungen unter Jugendlichen nicht kriminalisiert werden. Weiterhin sind Differenzierungen nötig, damit Handlungen zum Schutz der Betroffenen, wie die Speicherung zur Beweissicherung und Weitergabe an Strafverfolgungsbehörden durch Eltern oder Lehrkräfte, straffrei möglich ist“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Bei der Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche braucht es kompromisslose Aufklärung und Strafverfolgung. Gleichzeitig darf aber auch hier nicht übers Ziel hinausgeschossen werden. So müssen Jugendliche ihrem Alter angemessen die Möglichkeit bekommen sich selbst, auch in ihrer Sexualität, einvernehmlich auszudrücken und dürfen dafür nicht ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Ein klarer Rechtsrahmen für einvernehmliches Sexting unter Jugendlichen ist notwendig“, so Lütkes weiter.
„Die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs muss effektiv bekämpft werden. Hier ist ein Markt entstanden, der unnachgiebig ausgetrocknet werden muss. Hierfür müssen alle erforderlichen Ressourcen für Prävention und Strafverfolgung eingesetzt werden. Die zu erwartende Strafe müssen eine generalpräventive Wirkung entfalten, um potenzielle Täterinnen und Täter von der Begehung einer Tat abzuhalten. Der Fahndungsdruck zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt muss steigen, die personellen Ressourcen bei Polizei und Staatsanwaltschaften im Bereich des Kinderschutzes sollten massiv aufgestockt werden. Alle zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel müssen genutzt werden, dazu gehört auch das Ausschöpfen des zur Verfügung stehenden Strafmaßes in schweren Fällen“, sagt Anne Lütkes.
„Bei allen Handlungen der Strafverfolgungsbehörden müssen zudem die kinderrechtlichen Anforderungen zum Schutz der Kinder umfassend umgesetzt werden, hierzu gehört auch die frühzeitige Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung. Ein weiterer wichtiger Baustein in diesem Bereich ist die Prävention. Auch dafür brauchen wir eine finanziell abgesicherte, funktionierende Kinder- und Jugendhilfe, die im Bereich der Prävention und als Vertrauensinstitution für Kinder und Jugendliche tätig sein muss. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge zur Ausgestaltung einer differenzierten Lösung für eine tat- und schuldangemessene Reaktion im Einzelfall, muss zudem sichergestellt werden, dass die Gesetzesänderungen den Normzweck umfassend erfüllen. Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deshalb eine Evaluierung der Gesetzesänderungen zu verankern, um aussagekräftige Informationen über die Anwendung und Wirkung des Gesetzes zu erhalten“, so Lütkes abschließend.
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