Der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung legt aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes dringende kinder- und jugendpolitische Handlungsbedarfe in Deutschland offen. Durch die leitende Perspektive „Jugend ermöglichen“ zeichnet die Sachverständigenkommission ein differenziertes Bild der heutigen Lebensrealitäten von Jugendlichen in Deutschland. Handlungsbedarfe ergeben sich insbesondere bei der Chancengleichheit, aber auch bei der Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut, im Bereich Beteiligung und in der Medienpolitik.
Der Bericht macht deutlich, dass die Lebenslagen junger Menschen in Deutschland durch erhebliche soziale Ungleichheiten gekennzeichnet sind, insbesondere im Bildungssystem. Zudem konstatiert der Kinder- und Jugendbericht zunehmende Segregationsprozesse in städtischen Wohnregionen. Noch immer entscheidet die familiäre und regionale Herkunft, der soziale Status, die ethnische und nationale Zugehörigkeit, das Geschlecht, aber auch beispielsweise die körperliche Verfasstheit über die Verteilung der sozialen Teilhabechancen. Geflüchtete Jugendliche sind besonderen Diskriminierungen ausgesetzt. Deshalb müssen Kindern und Jugendlichen, die nach Deutschland geflüchtet sind, ihre Rechte transparenter gemacht werden. Außerdem sollten sie stärker vor rassistischen und diskriminierenden Zuschreibungen und Ausgrenzungen geschützt werden. Dafür braucht es belastbarere kommunale Strukturen, die zur Not auch über Bundesmittel abgesichert werden müssen.
„Die Ergebnisse des 15. Kinder- und Jugendberichts zeigen, dass in unserer Gesellschaft nicht allen jungen Menschen die gleichen Rechte und Möglichkeiten eingeräumt werden. Kinder und Jugendliche in Deutschland müssen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrer körperlichen Verfasstheit und ihrer nationalen Zugehörigkeit eine gute Kindheit und Jugend erfahren und gestalten können. Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes sollte zudem im Rahmen eines Bundesweiten Aktionsplans gegen Kinderarmut ein besonderer Schwerpunkt auf den Bildungsbereich gelegt werden. Hier vermissen wir aktuell den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher in Deutschland anzunehmen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte über den 15. Kinder- und Jugendbericht. „Bei der Integration von Flüchtlingskindern haben wir in Deutschland in den letzten zwei Jahren große Fortschritte gemacht. Jetzt gilt es, die notwendigen Integrationsmaßnahmen nicht nur weiterzuführen, sondern zu verstärken. Das schnelle Erlernen der deutschen Sprache, Bildungsintegration über einen ungehinderten Zugang zu Kindertageseinrichtungen und eine Schulpflicht für alle Flüchtlingskinder von Anfang an, und zwar unabhängig von der Bleibeperspektive, sind hier Schlüsselfaktoren. Das gilt auch für die Förderung der Beteiligung von geflüchteten jungen Menschen bei den sie betreffenden Entscheidungen. Außerdem müssen wir sie zu gesellschaftlichem Engagement ermutigen“, so Hofmann weiter.
Soziale Unterschiede zeigen sich auch beim politischen Interesse und bei der Zufriedenheit mit der Demokratie als Staatsform: Je höher das soziale Milieu, die ökonomische Lage der Familie und die Bildung, desto höher das politische Interesse junger Menschen und die Akzeptanz der Demokratie. Der Kinder- und Jugendbericht fordert daher, die Stärkung der Beteiligung als partizipatives Grundelement des Aufwachsens und als Voraussetzung für Demokratiebildung zu verstehen.
„Das Deutsche Kinderhilfswerk sieht die Vermittlung von Demokratiefähigkeit als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kinder und Jugendliche sind die zukünftigen Akteurinnen und Akteure in einem funktionierenden demokratischen System. Wer früh beteiligt wird, engagiert sich später auch mit höherer Wahrscheinlichkeit politisch. Der Ausbau und die Stärkung von politischen Beteiligungsstrukturen von Kindern und Jugendlichen unter besonderer Förderung derjenigen aus sozial benachteiligten Familien muss daher eine zentrale politische Konsequenz aus den Befunden des Kinder- und Jugendberichts sein“, so Hofmann weiter.
Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf den medienpolitischen Herausforderungen durch die Folgen der Digitalisierung. Zur Ermöglichung von Jugend in der digitalen Welt bedürfe es einer Jugendmedienpolitik, die sich als Anwältin von Jugend zur Durchsetzung von Medienbildungsinteressen versteht und dafür einsetzt, dass Institutionen und Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen und zu einem effizienten, kinder- und jugendgerechten Daten- und Verbraucherschutz verpflichtet werden. „Kinder und Jugendliche auch in medialen Räumen zu schützen und in ihren spezifischen Bedarfen zu unterstützen, erfordert ein Zusammenwirken von Staat, Eltern, Bildungsinstitutionen und Medienanbietern gleichermaßen. Dabei ist nicht zuletzt die Vermittlung von Medienkompetenzen zentral, um die Rolle von Kindern und Jugendlichen als kompetent handelnde Personen in der digitalen Welt zu stärken“, so Hofmann abschließend.
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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.