Derzeitige Gesetzeslage widerspricht kinderrechtlichen Grundsätzen – Bundesregierung fehlt Zukunftskonzept für ein kindergerechtes Deutschland
Anlässlich des Jahrestages der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November fordert das Aktionsbündnis Kinderrechte (UNICEF, Deutsches Kinderhilfswerk und Deutscher Kinderschutzbund) die Bundesregierung auf, die Rechte der Kinder endlich dauerhaft zum Maßstab ihres politischen Handelns zu machen. Kurzfristig müssen zahlreiche Gesetze geändert werden, die dem Geist der Kinderrechtskonvention widersprechen – insbesondere im Ausländerrecht. Auf lange Sicht fehlt vor allem ein Gesamtkonzept zur Stärkung der Kinderrechte und zur Verbesserung der Situation benachteiligter Kinder in Deutschland.
Die Bundesregierung hat den ausländerrechtlichen Vorbehalt Deutschlands zur Kinderrechtskonvention im Juli 2010 zwar zurückgenommen, gleichzeitig aber betont, sie sehe keinen Bedarf an gesetzlichen Änderungen. Aus Sicht des Aktionsbündnisses und zahlreicher weiterer Nichtregierungsorganisationen sind jedoch dringende Änderungen im Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht nötig, damit Flüchtlingskinder nicht länger diskriminiert werden.
„Deutschland hat viel zu lange gezögert, die internationale Kinderrechtskonvention ohne Einschränkungen anzuerkennen. Jetzt weigert sie sich auch noch, aus der formalen Anerkennung der Kinderrechte die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks Thomas Krüger.
„Die Kinderrechte gelten für alle Kinder – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft“, sagte der Vorsitzende von UNICEF Deutschland Jürgen Heraeus. „Ein ausländisches Kind darf nicht schlechter behandelt werden als ein deutsches Kind. Deutschland verstößt gegen diesen Grundsatz und muss die Gesetze jetzt so schnell wie möglich anpassen.“
„Bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, muss das beste Interesse des Kindes Vorrang haben“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers. „Deutschland muss endlich kindergerecht werden. Bundesregierung, Länder und Kommunen müssen allen Kindern gleiche Chancen auf Ausbildung und Teilhabe an der Gesellschaft geben.“
- UN-Kinderrechtskonvention ohne Vorbehalte umsetzen! Dringend notwendig sind nach der Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention jetzt vor allem gesetzliche Anpassungen im Ausländer-, Asyl- und Sozialrecht. Obwohl gerade sie besonderen Schutz und Fürsorge brauchen, wachsen viele der bis zu 300.000 Flüchtlingskinder unter inakzeptablen Lebensbedingungen auf. Viele leben ständig in der Sorge, dass sie oder ihre Eltern abgeschoben werden, und ohne Zugang zu Freizeit-, Spiel- oder Ausbildungsmöglichkeiten. Flüchtlingskinder über 16 Jahren werden in einem für sie unverständlichen Asylverfahren wie Erwachsene behandelt. Eine umfassende medizinische und psychosoziale Versorgung bleibt ausgerechnet den oft chronisch erkrankten Flüchtlingen verwehrt. Das Aktionsbündnis fordert die Bundesregierung daher auf, die Konsequenzen aus der Rücknahme zu ziehen und die Änderungen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen.
- Kinderrechte konsequent umsetzen und Umsetzung überprüfen! Kinder fallen in Deutschland durch das Raster der „großen“ Politik. Ein zersplitterter Politikansatz führt dazu, dass die Rechte der Kinder in Deutschland nicht eindeutig einer Stelle zugeordnet sind. So gibt es keine Beschwerdestelle für Kinderrechtsverletzungen und kein Monitoring der Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland. Das Aktionsbündnis fordert daher die Ernennung eines Bundesbeauftragten für Kinderrechte.
- Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte den Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“ ins Leben gerufen. Kurz vor der geplanten Abschlussveranstaltung am 9. Dezember 2010 ist jedoch völlig unklar, wie die jetzige Bundesregierung die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland nach dem Ende des Aktionsplans weiter voranbringen möchte. Das Aktionsbündnis fordert vom zuständigen Bundesfamilienministerium ein innovatives Gesamtkonzept zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland.
- Kinder müssen Vorrang haben. Darum: Kinderrechte ins Grundgesetz! Die Kinderrechtskonvention stellt in Artikel 3 klar, dass das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, Vorrang haben muss – im Bundestag, im Gerichtssaal, in den Städten, Kindergärten, Schulen, Familien. Doch entgegen der Empfehlung des zuständigen UN-Ausschusses in Genf sind die Kinderrechte bisher nicht im Grundgesetz verankert. Bei wichtigen Entscheidungen von Politik, Justiz und Behörden werden die Interessen der Kinder aus diesem Grund noch immer nicht berücksichtigt.
UNICEF, Helga Kuhn, 0221-93650-234 oder presse@unicef.de
Deutsches Kinderhilfswerk, Michael Kruse, 030-308693-11 oder kruse@dkhw.de
Deutscher Kinderschutzbund, Johanna Suwelack, 030-214809-20 oder suwelack@dksb.de
Weitere Informationen auch unter www.kinderrechte-ins-grundgesetz.de
Weitere Informationen und Rückfragen: Uwe Kamp, Pressesprecher
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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.