Uwe Kamp

Pressesprecher

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27.11.2018

„Zwischen Pragmatismus, Hilflosigkeit, Sorge und Ignoranz“ - Studie zu Persönlichkeitsrechten von Kindern im Kontext digitaler Mediennutzung in Familien

Die Nutzung digitaler Medien in Familien führt oftmals zu einer gravierenden Gefährdung der Persönlichkeitsrechte von Kindern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität zu Köln in Kooperation mit dem Deutschen Kinderhilfswerk, die heute in Berlin vorgestellt wird. Die qualitative Untersuchung des Medienalltags in Familien offenbart, dass Eltern zwar bemüht sind, ihren Kindern einen möglichst sicheren Zugang zu digitalen Medienangeboten zu ermöglichen. Gleichzeitig stehen Familien aber den Risiken digitaler Mediennutzung heute aber oftmals hilflos gegenüber. Diese Hilfslosigkeit trifft insbesondere bei der Nutzung sozialer Netzwerkdienste wie WhatsApp, Facebook, Instagram, Snapchat und YouTube zu. Zusätzlich finden in diesen Medienformaten die Mitbestimmungsrechte der Kinder bei Veröffentlichung persönlicher Daten durch die Eltern nur selten ausreichend Beachtung.

„Die Rechte von Kindern sind auch im digitalen Raum nicht verhandelbar. Wichtig ist dabei, Familien nicht mit ihrer Verantwortung bei der Medienerziehung alleine zu lassen. Eltern und Kinder müssen bei der kompetenten und kindgerechten Nutzung von Medien unterstützt werden. Zudem bedarf es verständlicher und umsetzbarer gesetzlicher Vorgaben für die Erhebung, Verbreitung und Verarbeitung digitaler Daten. Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert aus diesem Grund für einen modernen, ganzheitlichen und ausdrücklich an der UN-Kinderrechtskonvention ausgerichteten Jugendmedienschutz, der gleichermaßen Schutz, Teilhabe und Kompetenzförderung von Kindern in den Medien absichert“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Die in unserer Studie dargestellten Befunde geben wichtige Hinweise auf grundlegende Konflikte im Feld der Mediennutzung und -erziehung in Familien. Einerseits wollen Eltern ihre Kinder auch im digitalen Alltag schützen, andererseits wollen sie den Kindern zunehmend Freiräume und Autonomie ermöglichen. Dieser Spagat gelingt nicht immer im besten Sinne der Kinder. Kindertageseinrichtungen, Schulen oder Erziehungsberatungsstellen können hier eine unterstützende Rolle übernehmen. Es zeigt sich aber auch, dass die Verantwortung nicht nur auf individueller Ebene liegt und es entsprechender schützender Rahmenbedingungen bedarf. Zudem wird deutlich, dass Kinder an vielen Stellen viel stärker in Entscheidungen einbezogen werden müssten, die sie und ihre Daten bzw. Rechte am eigenen Bild betreffen“, so Prof. Dr. Nadia Kutscher, Professorin für Erziehungshilfe und Soziale Arbeit an der Universität zu Köln.

Zentrale Ergebnisse

Die Untersuchung widmete sich der Frage, wie digitale Mediennutzung und sogenanntes Sharenting, also die Verbreitung von Kinderbildern durch Eltern in sozialen Medien, in den Familienalltag eingelagert sind und inwiefern die Beteiligungsrechte und Persönlichkeitsrechte von Kindern dabei eine Rolle spielen. Die Befunde der Studie zeigen, dass digitale Medien heute ein fester Bestandteil der familiären Alltagspraktiken sind. In allen befragten Familien sind soziale Netzwerke und mobile Medien selbstverständlicher Teil der Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern. Alle befragten Eltern haben Smartphones und darauf in der Regel die einschlägigen Apps (u.a. WhatsApp, Facebook, YouTube, Instagram) installiert. Die Mehrheit der Eltern unterscheidet dabei Facebook als „öffentlich“ und WhatsApp als „privat“. Dies führt dazu, dass die Eltern stärker reflektieren, was sie auf Facebook veröffentlichen und dagegen weitgehend bedenkenlos Daten über WhatsApp teilen. Eltern wollen auch prinzipiell die Daten ihrer Kinder schützen, fühlen sich aber zumeist nicht ausreichend kompetent in der Nutzung verschiedener Dienste. Ein Zusammenspiel aus unzureichender Informiertheit, Unsicherheit, Hilf- und Machtlosigkeit, aber auch Nutzungsroutinen ist die Basis unzureichender Datenschutzstrategien der Eltern.

Insgesamt zeigt sich, dass sich Eltern intensiv mit der Frage beschäftigen, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder erzieherisch begleiten können. Sie versuchen, nicht den Anschluss an mediale Entwicklungen zu verlieren und fühlen sich dabei meist überfordert. Die erzieherische Herausforderung, Kindern sowohl Freiräume als auch Schutz bei der Mediennutzung zu bieten, führt oftmals dazu, dass die Eltern zu Strategien wie zum Beispiel der Chat- oder Browserkontrolle greifen, die die Privatsphäre der Kinder massiv verletzen. Kinder selbst haben oftmals genaue Vorstellungen davon, ob, wann und mit wem Bilder von ihnen geteilt werden sollten. Allerdings werden sie von den Eltern in der Regel nicht an Entscheidungen beteiligt, wenn diese Fotos von ihnen verbreiten. Die Rechte von Kindern spielen insofern im Rahmen von Medienerziehung in der Familie oftmals kaum eine Rolle.

Methode

Die Studie „Kinder. Bilder. Rechte. – Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie“ wurde von der Universität zu Köln in Kooperation mit dem Deutschen Kinderhilfswerk erstellt. Dabei wurde auf der Basis von 37 Interviews mit Eltern und Kindern (6 bis 15 Jahre) empirisch rekonstruiert, wie der Medienerziehungszusammenhang in den befragten Familien ausgestaltet ist. Die Erhebungen fanden in insgesamt fünf Städten und Gemeinden (darunter sowohl Großstädte als auch Gemeinden im ländlichen Raum) in vier verschiedenen Bundesländern (Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) in Deutschland statt.

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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

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